Ritter von Schönfeld - Rechtsanwälte Erbrecht

Das OLG München hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, dem ein privatschriftlich erstelltes Testament von zwei Eheleuten zugrunde lag.

Der Sachverhalt

Die beiden Eheleute haben eine gemeinsame Tochter, der Ehemann (und spätere Erblasser) daneben einen unehelichen Sohn. Beide Ehegatten haben im Jahr 1979 das folgende Schriftstück errichtet:

"Vollmacht!
Sollte bei einem Unfall meiner Frau und mir mit Todesfolge ausgehen, so kann meine Tochter A.
W. (verh. S.) frei über unseren Hausrat wie Bargeld - Ciro Kondo - SparKassenbuch Bundesschatzbrief
und unser Auto Ford 15M verfügen.
Augsburg, d. 4. Sep. 73
(Unterschriften)"

Weitere Testamente waren nicht vorhanden.

Der Ehemann verstarb im Jahr 2011 vor seiner Ehefrau. Daraufhin beantragte der (uneheliche) Sohn des Erblassers einen Erbschein auf Grundlage gesetzlicher Erbfolge, demnach er sowie die (eheliche) Tochter jeweils 1/4, die Ehefrau des Erblassers 1/2 erben. Die Tochter dagegen war der Ansicht, dass der sog. "Vollmacht" Testamentsqualität innewohnt und sie deshalb Alleinerbin nach dem Erblasser geworden ist.

Die Entscheidung

Während die Vorinstanz (LG Augsburg) noch der Tochter recht gab und zum Ergebnis kam, dass die Tochter Alleinerbin wurde, gelangte das in Beschwerdeinstanz angerufene OLG München zu dem Schluss, dass der Erblasser von seiner Tochter und seinem Sohn zu je 1/4 und seiner Ehefrau zu 1/2 beerbt wurde. Zunächst war hier festzustellen, dass das verfasste und mit "Vollmacht" überschriebene Schriftstück der Ehegatten dem Grunde nach Wirksamkeit entfaltet, auch wenn es nicht die Überschrift "Testament" oder "letzter Wille" trägt. Denn das Schriftstück regelt ausdrücklich den Fall eines Unfalles "mit Todesfolge" und räumt der Tochter die Befugnis ein, frei zu verfügen. Eine ausdrückliche Überschrift ist nicht erforderlich, wenn sich aus der Erklärung entnehmen lässt, dass die Ehegatten mit Testierwille gehandelt haben, also mit dem Schriftstück ihre Rechtsfolge nach dem Ableben regeln wollten.

Im Anschluss ging das Gericht auf den - zugegeben missverständlichen - Wortlaut der "Vollmacht" ein. Dieser regle nur den Fall in dem beide Ehegatten (also der Erblasser sowie auch seine Ehefrau) verstorben sind. Dabei sei unerheblich, ob der Erblasser das kurz hintereinander Versterben beider Ehegatten gemeint hat, oder allgemein die Situation nach dem (zeitlich voneinander unabhängigen) Ableben beider Ehegatten regeln wollte. Nachdem die letztwillige Verfügung keine Regelung für die Erbfolge beim Tod des zuerst versterbenden Ehegatten enthält, tritt diesbezüglich die gesetzliche Erbfolge ein. Der uneheliche Sohn wurde daher Erbe zu 1/4.

(OLG München, Beschluss vom 19.12.2012, 31 Wx 434/12)

Anmerkung zur Entscheidung

von RA Dr. Johannes v. Schönfeld

Die Entscheidung des OLG München zeigt einmal mehr, dass die Abfassung eines Testaments für den Laien durchaus mit Tücken behaftet ist, welche im schlimmsten Fall den testamentarischen Willen umkehrt. In diesem Fall war es wohl die Verwendung des Wortes "und" anstatt "oder". So wäre m.E. im vorliegenden Fall durchaus durch Auslegung ermittelbar, dass der Erblasser nicht nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens von seiner Ehefrau und sich selbst Vorkehrung treffen wollte, sondern schlicht die Absicht hatte, nach dem Ableben beider Ehegatten die Tochter zur Alleinerbin einzusetzen. In diesem Falle wäre die Tochter - wie vom Erstgericht dargestellt - zur Alleinerbin berufen gewesen. Die missverständliche Formulierung aber hat im Ergebnis dazu geführt, dass ein anderes Ergebnis ausgeurteilt wurde.
Bereits hinsichtlich der Formulierung ist es als problematisch anzusehen, die einzelnen Gegenstände aufzuzählen. Beispielsweise wird wohl ein Ford der Baureihe 15M, welcher im Jahr der Abfassung des Schriftstücks wahrscheinlich als Familienauto seinen Dienst tat, im Jahr 2011, also fast 38 Jahre später, entweder nicht mehr existent sein oder aber als Oldtimer einen deutlich höheren Wert aufweisen als bei Abfassung. Hier empfiehlt sich die Anwendung allgemeinerer Formulierungen, die auch 40 Jahre später noch tragfähig sind und rechtliche Wirkung entfalten.

Daneben ist die folgende Formulierung "Sollte bei einem Unfall meiner Frau und mir mit Todesfolge ausgehen, so kann ..." aufgrund der Wahl des Wortes "und" missverständlich. Hätte der Erblasser stattdessen geschrieben "Sollte bei einem Unfall meiner Frau oder mir mit Todesfolge ausgehen, so kann ...", so wäre die Entscheidung des OLG München wahrscheinlich anders ausgefallen, da dieser Wortwahl auch ein Testierwille für das Erstversterben eines der Ehegatten entnommen werden könnte. Entsprechend hätte das Testament m.E. auch dann Wirkung entfaltet, wenn - wie hier - einer der Ehegatten vorverstirbt.

Fazit

Wir beraten Sie gerne und sind bei der Abfassung von wirksamen letztwilligen Verfügungen behilflich, um missverständliche Interpretation und ungewollte Ergebnisse zu vermeiden. Gerne überprüfen wir auch bestehende Verfügungen von Todes wegen auf Wirksamkeit, steuerliche Folgen (zB geschickte Ausnutzung von Erbschaftsteuerfreibeträgen) sowie möglicherweise missverständliche Formulierungen.

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