Zu der Frage, wann das Vorliegen einer solchen besonderen Fallkonstellation im Übrigen in Betracht gezogen werden kann bzw. welche Anforderungen insoweit erfüllt sein müssen, hat sich das OLG in seiner Entscheidung nicht geäußert. Die Entscheidung führt damit zu einer gewissen Rechtsunsicherheit. Zugleich eröffnet sie aber auch mehr Spielraum dafür, dem Einzelfall gerecht zu werden. Dies kann ein entscheidender Vorteil sein, da die Schutzwürdigkeit von Erben und von Pflichtteilsberechtigten je nach Einzelfall sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. So wird die Berufung auf die Dürftigkeitseinrede von so manchen Erben gerne dazu missbraucht, den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu vereiteln. Dies gelingt auch immer wieder, da die Anforderungen an den Nachweis der Dürftigkeit des Nachlasses bislang nicht sehr hoch sind. Andererseits versuchen auch Pflichtteilsberechtigte immer wieder, bei einem tatsächlich wertlosen Nachlass, den Erben mit der Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu schikanieren, zumal dieser dann die Kosten letztlich aus eigener Tasche tragen muss.
In diesem Problembereich ist daher im Ergebnis immer eine interessengerechte und sorgfältige Argumentation gefragt, um dem Mandanten zu seinem Recht zu verhelfen. Die gute Nachricht ist, dass das OLG München mit seiner Entscheidung einen solchen Weg überhaupt eröffnet hat.
Autor: Dr. Johanna Schmidt, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Erbrecht in München