Ritter von Schönfeld - Rechtsanwälte Erbrecht

Das sog. "Notarielle Bestandsverzeichnis" erlangt zumeist dann Bedeutung, wenn ein Pflichtteilsberechtigter den ihm zustehenden Auskunftsanspruch gegen den Erben durchsetzen möchte. In diesem Rahmen steht dem Pflichtteilsberechtigten ebenso das Recht zu, die Erholung eines notariellen  Bestandsverzeichnisses nach oder vor dem privatschriftlichen Verzeichnis zu verlangen. Gerade in Zeiten beruflich oder privat bedingten häufigeren Wohnsitzwechsels, mitunter auch eines Umzugs ins Ausland oder der Führung von Konten nicht beim ortsansässigen Kreditinstitut sondern bei einer Online-Bank lassen es einem Pflichtteilsberechtigten immer schwerer fallen, die gegebene Auskunft des Pflichtteilsberechtigten auf Richtigkeit und insbesondere Vollständigkeit zu überprüfen. EIn notarielles Bestandsverzeichnis soll hingegen zumeist Gewähr für eine erhöhte Vollständigkeit und Richtigkeit bieten, weshalb der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig zu ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck zu bringen hat, dass er den Inhalt verantwortet (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2020 – IV ZR 193/19).

Das OLG Celle hat nun in seinem Urteil vom 29.10.2020 (Az. 6 U 34/20) in Ergänzung zu der bisherigen Rechtsprechung zum notariellen Bestandsverzeichnis (v.a. OLG Koblenz, DNotZ 2014, 780, 782)  und in Anschluss an die grundsätzliche Rechtsprechung des BGH zum Sinn und Zweck des Bestandsverzeichnisses die Frage nach den Anforderungen an die Aufnahme durch den Notar weiter konkretisiert. 

In dem entschiedenen Fall wurde der Erbe zur Vorlage eines solchen Verzeichnisses zunächst im Rahmen einer Auskunftsklage verurteilt. Das vorgelegte Verzeichnis war jedoch teilweise unvollständig, da beispielsweise Angaben zum Güterstand des Erblassers fehlten. Daneben waren die Angaben zu den unentgeltlichen Verfügungen des Erblassers nur unzureichend, weil undatiert aufgenommen. Insbesondere hatte sich der Notar darauf verlegt, zwar eine Wohnungsbesichtigung durchzuführen, die in der Wohnung vorhandenen Gegenstände jedoch nicht ausreichend zu beschreiben. Es fehlte beispielsweise der Goldgehalt des Eheringes. Informationen zum Wertpapierdepot enthielten zwar den Stand zum Stichtag - entbehrten jedoch der Angabe der kontoführenden Bank. Nachfragen beim Finanzamt auf Steuererstattungen hätte der Notar selbst initiieren müssen. 

Aus anwaltlicher Sicht ist es durchaus zu begrüßen, dass die Rechtsprechung die Rechte des Pflichtteilsberechtigten sukzessive dadurch stärkt, dass der Notar als neutrale Person einerseits und "verlängertem Ermittlungsarm" andererseits das Kenntnisgefälle zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem auszugleichen sucht. Bezeichnenderweise war im erstinstanzlichen Verfahren dem aufnehmenden Notar der Streit verkündet worden, und dieser war dem Rechtsstreit beigetreten. Die Berufung gegen das Urteil hatte infolge alleine der Notar selbst eingelegt.

Autor: Dr. Johannes v. Schönfeld, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht in München

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