Die SARS-COVID19-Pandemie stellte jeden Mitbürger auf diesem Planeten vor große und oftmals völlig unerwartete Schwierigkeiten. Auch und besonders die „systemrelevanten“ Bereiche wie Gerichte, Notariate und Rechtsanwaltskanzleien waren im Alltag plötzlich mit Herausforderungen konfrontiert, welche man im vor-pandemischen Leben kaum für möglich gehalten und an welche man kaum einen Gedanken verschwendet hätte. Hierzu zählt beispielsweise die Errichtung eines Testaments. Aufgrund dieser alltäglichen Einschränkungen kamen Rechtsinstitute wie das „Nottestament vor drei Zeugen“ zu neuer Geltung, welche bereits als „abgehalftert“ und mangels irgendwelcher Relevanz als streichungsreif galten, zumal heutzutage nahezu jeder Erblasser des Schreibens kundig ist und ein eigenhändiges privatschriftliches Testament errichten kann.
In einem Fall musste das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Wirksamkeit eines sog. Nottestaments entscheiden. Dieses in § 2250 BGB niedergelegte Rechtsinstitut ermöglicht die mündliche Errichtung eines Testaments vor drei Zeugen unter der Bedingung, dass eine notarielle nicht möglich oder erheblich erschwert ist, oder die Todesgefahr dergestalt nah ist, dass ein sog. Bürgermeistertestament nicht vorrangig errichtet werden kann. Ein Erblasser hatte einer Beteiligten, welche auch die Protokollierung übernahm, sein Vermögen vermacht. Bei der Errichtung des Testaments waren die drei Zeugen nicht gleichzeitig anwesend, sondern sie haben die Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text unterzeichnet. Aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen konnten nicht gleichzeitig drei Personen den Erblasser im Krankenhaus besuchen.
Das Oberlandesgericht entschied, dass das Nottestament nicht korrekt errichtet und daher unwirksam ist. Begründet hat es seine Entscheidung damit, dass § 2250 BGB die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen während des gesamten Errichtungsaktes als Wirksamkeitsvoraussetzung hat. Anlass, hiervon aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen abzuweichen, hielt es nicht für veranlasst. Die Anwesenheitsbedingung finde ihren Sinn darin, dass durch möglichst klare und unmissverständliche Widergabe der Erklärung des Erblassers dessen letzter Wille sowohl zum Ausdruck als auch zur Geltung gebracht wird.
Zugleich ist das Gericht jedoch davon ausgegangen, dass die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen für Patienten in Krankenhäusern den Anwendungsbereich des Drei-Zeugen-Testaments dergestalt eröffnen, dass ein Anwendungsfall des § 2250 Abs. 1 BGB vorliegt. Wären folglich in dieser speziellen Situation drei Zeugen durchgehend anwesend gewesen und hätten im Anschluss die Niederschrift unterzeichnet, so wäre ein vermutlich wirksames Testament errichtet worden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.1.2022, 3 Wx 216/21)
Anmerkung: Ein solches Nottestament ist jedenfalls gem. § 2252 BGB in seiner Gültigkeit beschränkt. Es verliert seine Wirkung und gilt als nicht errichtet, wenn seit Errichtung drei Monate verstrichen sind, ohne dass der Testator verstorben ist. Beginn und Ablauf dieser dreimonatigen Gültigkeitsfrist werden nur dadurch gehemmt, solange ein Testator in diesem Zeitraum außerstande ist, ein Testament vor einem Notar zu errichten.
Autor: Dr. Johannes v. Schönfeld, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht in München