Wer gehört zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten? Wann kann der Pflichtteil verlangt werden? Hier beantworten wir die 15 häufigsten Fragen zum Thema "Pflichtteil".
1. Wer gehört zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten?
Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers und der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner des Erblassers; den Eltern des Erblassers steht einzig das Recht zu, wenn dieser keine Abkömmlinge hinterlässt. Anderen Verwandten steht kein Pflichtteilsrecht zu. Nichteheliche Lebensgefährten sind ebenfalls nicht pflichtteilsberechtigt.
2. Wann kann der Pflichtteil verlangt werden?
Der Pflichtteil kann verlangt werden, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt hat.
Die Ausschlagung des Erbteils durch einen Erben führt nur in einigen Fällen dazu, dass ein Pflichtteil verlangt werden kann. Bei der Ausschlagung ist daher stets besondere Vorsicht geboten.
3. Was gilt, wenn ein Pflichtteilsberechtigter im Testament nicht ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen ist?
Ein ausdrücklicher Ausschluss ist für eine Enterbung nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten nicht zum Erben eingesetzt hat.
4. Kann der Pflichtteil entzogen werden?
Der Erblasser kann einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil grundsätzlich entziehen, wenn einer der in § 2333 BGB geregelten Entziehungsgründe vorliegt. Die Entziehung muss zudem in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 2336 BGB) erfolgen. Die Voraussetzungen für eine wirksame Pflichtteilsentziehung sind insgesamt sehr streng, so dass der Pflichtteil nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden kann. Eine Pflichtteilsentziehung sollte daher unbedingt von einem fachkundigen Rechtsanwalt überprüft werden.
5. Welche Pflichtteilsentziehungsgründe gibt es?
Grund für eine Pflichtteilsentziehung kann etwa sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte bestimmten Personen (Erblasser, Ehegatte oder Abkömmling des Erblassers, sonstige dem Erblasser nahestehende Person) nach dem Leben getrachtet hat oder sich gegenüber diesen Personen eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht hat. Auch die böswillige Verletzung einer gegenüber dem Erblasser gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht kann zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen. Daneben kann der Pflichtteil auch entzogen werden, wenn die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass dem Erblasser unzumutbar ist, weil der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird.
Andere Gründe - wie etwa fehlender Kontakt zum Erblasser - berechtigen nicht zur Entziehung des Pflichtteils.
6. Gibt es auch außerhalb der Pflichtteilsentziehung Fälle, in denen kein Pflichtteil verlangt werden kann?
Der Pflichtteil kann nicht verlangt werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte pflichtteilsunwürdig ist. Zur Pflichtteilsunwürdigkeit führen die folgenden in §§ 2345 Abs. 2, 2339 BGB geregelten Gründe: Tötung bzw. versuchte Tötung des Erblassers, Herbeiführung der Testierunfähigkeit des Erblassers, Hinderung des Erblassers an der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen, Bestimmung des Erblassers zur Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung sowie die strafbare Verfälschung oder Vernichtung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen.
Ein Pflichtteilsverlangen ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Pflichtteilsberechtigte durch einen notariell beurkundeten Vertrag mit dem Erblasser auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.
7. Wie berechnet sich der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Zunächst muss daher bestimmt werden, welcher Erbteil dem Berechtigten bei gesetzlicher Erbfolge zustehen würde. Durch Halbierung dieses gesetzlichen Erbteiles erhält man die Pflichtteilsquote.
Dem Pflichtteilsberechtigten steht ein seiner Pflichtteilsquote entsprechender Anteil am (Netto-)Nachlasswert als Geldanspruch zu. Für die Berechnung der konkreten Höhe dieses Geldanspruchs muss deswegen der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt werden. Der Nachlassbestand ergibt sich aus dem Überschuss der Aktiva über die Passiva des Nachlasses (Nettonachlasswert).
8. Wie kann der Pflichtteilsberechtigte den Nachlassbestand in Erfahrung bringen?
Dem Pflichtteilsberechtigten (der nicht Erbe geworden ist) steht gegen den Erben ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Nachlassbestandes zu. Der Erbe kann daher aufgefordert werden, dem Pflichtteilsberechtigten ein Nachlassverzeichnis mit allen Aktiva und Passiva des Nachlasses zu übersenden. Der Auskunftsanspruch erstreckt sich dabei nicht nur auf den tatsächlich vorhandenen Nachlass, sondern auch auf etwaige lebzeitige Zuwendungen und Schenkungen des Erblassers. Der Erbe ist zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunftserteilung verpflichtet.
9. Was kann der Pflichtteilsberechtigte tun, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde?
Dem Pflichtteilsberechtigten steht in diesem Fall gegen den Erben ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben über den Nachlassbestand zu. Die Kosten der eidesstattlichen Versicherung muss der Pflichtteilsberechtigte allerdings selbst tragen.
10. Wie kann der Wert des Nachlassbestandes festgestellt werden?
Meist ist der Pflichtteilsberechtigte nicht schon aufgrund der Auskunft durch den Erben über den Nachlassbestand in der Lage, den Wert der Nachlassgegenstände festzustellen. Dem Pflichtteilsberechtigten steht in einem solchen Fall ein Wertermittlungsanspruch gegen den Erben zu. Wird der Wertermittlungsanspruch geltend gemacht, so muss der Erbe den Wert durch ein Gutachten eines unparteiischen Sachverständigen ermitteln lassen.
11. Steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf Gegenstände aus dem Nachlass zu?
Nein, der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch und gibt keinen Anspruch auf die Herausgabe einzelner Nachlassgegenstände.
12. Wann ist der Pflichtteilsanspruch fällig?
Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit Eintritt des Erbfalls.
13. Was kann der Pflichtteilsberechtigte unternehmen, wenn der Erblasser den Nachlass durch Schenkungen zu Lebzeiten verringert oder gar ausgehöhlt hat?
Bei lebzeitigen Schenkungen des Erblassers kann der Pflichtteilsberechtigte einen sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Dieser Anspruch besteht neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch, für den stets nur der tatsächlich vorhandene Nachlass im Zeitpunkt des Erbfalles maßgeblich ist. Er ist auf Zahlung des Geldbetrages gerichtet, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn man den verschenkten Gegenstand zum Nachlass hinzurechnet.
Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich jedoch nur Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre. Bei Erbfällen nach dem 1.1.2010 werden Schenkungen zudem nur innerhalb des ersten Jahres im vollen Umfang berücksichtigt. Mit jedem weiteren Jahr, welches seit der Schenkung vergeht, wird die Schenkung um 10 % weniger berücksichtigt. So können also beispielsweise im zehnten Jahr seit der Schenkung nur noch 10 % des Schenkungswerts angesetzt werden.
Bei Schenkungen unter Ehegatten gilt im Zusammenhang mit der Zehnjahresfrist allerdings eine wichtige Besonderheit: Solange die Ehe nicht aufgelöst wird, beginnt die Zehnjahresfrist nicht zu laufen. Dies führt dazu, dass Schenkungen unter Ehegatten im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs stets in vollem Umfang zu berücksichtigen sind, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch bestand.
14. Können Pflegeleistungen von Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs berücksichtigt werden?
Pflegeleistungen eines pflichtteilsberechtigten Abkömmlings können dessen Pflichtteilsanspruch erhöhen, wenn es sich bei der Pflegeleistung um eine sog. ausgleichungspflichtige Leistung handelt. Eine ausgleichungspflichtige Pflegeleistung liegt vor, wenn der pflichtteilsberechtigte Abkömmling den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat und neben dem pflegenden Abkömmling noch weitere Abkömmlinge vorhanden sind. Diese Ausgleichung zwischen den Abkömmlingen erfolgt dadurch, dass bei der Berechnung der gesetzlichen Erbteile der Abkömmlinge der Wert der Pflegeleistungen vom Nachlasswert abgezogen wird und die gesetzlichen Erbteile der nicht pflegenden Abkömmlinge nur anhand dieses verminderten Nachlasswerts berechnet werden. Dem gesetzlichen Erbteil des pflegenden Abkömmlings wird der Ausgleichungsbetrag (Wert der Pflege) hinzugerechnet, so dass sich sein gesetzlicher Erbteil erhöht. Dieser erhöhte gesetzliche Erbteil ist auch für die Berechnung des Pflichtteils zugrunde zu legen. Die Pflegeleistungen des Pflichtteilsberechtigten führen daher zur Erhöhung seines Pflichtteilsanspruchs.
Pflegeleistungen anderer Pflichtteilsberechtigter können bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs keine Berücksichtigung finden.
15. Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch? Wann verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen (Erbfall, Enterbung) sowie der Person des Schuldners (Erbe) Kenntnis erlangt hat.
Für die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist zu unterscheiden, ob der Anspruch sich gegen den Erben (Regelfall) oder den Beschenkten (Ausnahme) richtet. Bei einem Anspruch gegen den Beschenkten selbst beginnt die Frist für die Verjährung bereits mit dem Erbfall zu laufen.
Bei der Verjährung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist häufig eine zentrale Frage, ob der Fristlauf überhaupt schon begonnen hat, etwa weil Nutzungsvorbehalte vereinbart wurden oder weil die Zuwendung unter Ehegatten erfolgt ist.